Glück kann alles sein, man muss es nur sehen können
Glück. Ein großes Wort – und doch liegt es oft in den kleinen Momenten. Wenn wir es suchen, vielleicht in Erfolgen, der großen Liebe, ausladenden Gesten oder besonderen Ereignissen, macht es sich gerne rar. Doch wenn wir ihm die Chance geben, uns zu finden, ist es oft schon da, nur viel leiser als das große Wort es verspricht: in einem Lächeln, im Staunen über eine Geschichte oder Situation, vielleicht aber auch im Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein, was sich in genau diesem Augenblick erschließt.
Für mich als Theatermensch ist Glück oft mit der Bühne verbunden. Theater lebt davon, dass wir gemeinsam etwas erschaffen, was es vorher nicht gab und danach nicht mehr geben wird. Jede Aufführung ist einmalig. Es ist das Glück des Augenblicks, das Glück des Erlebens im Hier und Jetzt. Es ist die Ergriffenheit, wenn ein:e Schauspieler:in eine Figur so darstellt, dass wir uns plötzlich und unerwartet in ihr erkennen; das Staunen, wenn sich ein Saal voller Menschen für zwei Stunden in eine gemeinsame Welt hineinfallen lässt. Glück entsteht dort, wo wir für einen Moment die Sorgen und die gewaltigen Herausforderungen der Welt „da draußen“ hinter uns lassen, zwei Schritte zurücktreten und eine andere Perspektive einnehmen, in der wir vielleicht sogar unser „Alltags-Ich“ hinter uns lassen können. Schon der Moment, im dem der Saal dunkel wird, das Publikum den Atem anhält, wenn sich der Raum bildet, in dem wir zusammen fühlen, denken und lachen, ist ein magisch-glücklicher Moment, in dem wir spüren, dass wir nicht alleine sind und nicht alleine fühlen.
Theater ist damit nicht nur Unterhaltung, sondern auch ein Resonanzraum für alle. Hier in Oldenburg erleben wir, wie vielfältig die Stimmen, Geschichten und Perspektiven sind, die zusammenkommen. Im Zuschauerraum sitzen Menschen aller Generationen, mit unterschiedlichen Erfahrungen und Ansichten. Sie alle bringen ihre Lebensgeschichten mit – und lassen sich auf ein gemeinsames Erleben ein. Dieses Miteinander, dieses „Wir“, das aus so vielen „Ichs“ entsteht, ist ein großes „Glück“, das die Kultur schaffen kann.
Denn Glück hat auch mit einem Miteinander zu tun, nennen wir es für einen Moment „demokratisch“. Und diese Gesellschaftsform lebt davon, dass Menschen sich begegnen, dass sie sich durch Unterschiedlichkeiten nicht abschrecken, sondern inspirieren lassen, sich zuhören, miteinander streiten und am Ende doch eine gemeinsame Grundlage im gegenseitigen Verstehen oder Nachvollziehen finden wollen. Gerade dieser hart erstrittene Moment, in dem beide wieder ruhig atmen und sich in die Augen blicken können ist wertvoll und macht glücklich. Die Offenheit, sich zu überwinden oder sich einfach auf Neues einzulassen – andere Menschen, Sichtweisen, Ideen und Horizonte zu erfahren – kann ein wundervolles Glück schaffen, weil sie uns ermöglicht, das „Andere“ nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung zu erkennen. Gerade in dieser Zeit ist es ein Glück, wenn wir Orte haben, an denen wir einander in unserer Individualität akzeptieren und gleichzeitig das Gemeinsame spüren können. Solche Orte entstehen gerne dort, wo Menschen zusammenkommen, Erfahrungen teilen, voneinander lernen und sich einbringen – auch die Volkshochschule ist ein solcher Ort, da Neues gesucht wird und man sich innerlich „strecken“ muss, um einem gesetzten Ziel näher zu kommen – und im besten Fall staunt man glücklich über das Erreichte.
Die Überraschungen liegen überall verborgen. So verstanden, liegt das Glück nicht im Außergewöhnlichen, sondern gerade im Alltäglichen, das es zu bewältigen gilt, da einem das innere Lächeln nicht immer geschenkt wird. Ein Teil einer lebendigen, sich verändernden Umgebung zu sein, die Bewegung des Augenblicks zu spüren und dabei auch zu merken, dass die eigene Wahrnehmung kein Schicksal ist, fordert heraus. Diese Entscheidung, mit der wir eine Verantwortung für die Gestaltung des Augenblicks übernehmen, liegt ganz bei uns. Denn im Grunde kann Glück alles sein. Es zeigt sich, wenn wir den Blick dafür schärfen und uns von unseren Erwartungen lösen. Manchmal ist es nur ein leiser Ton, manchmal ein Aha-Moment im Kursraum, manchmal das Lächeln eines Mitmenschen, der auf dem Rad vorbeifährt. Wir müssen es nur sehen können – mitten unter uns, jeden Tag.
Seit der Spielzeit 2024/25 ist Georg Heckel Generalintendant am Oldenburgischen Staatstheater. Nach Positionen als Betriebs- und Operndirektor u. a. in Darmstadt und Augsburg wurde er zur Spielzeit 2018/19 Intendant des Landestheater Detmold, Europas größter Reisebühne. Schwerpunkte seiner vorherigen Stationen waren die Ensemblebildung und die Stärkung des Kinder- und Jugendmusiktheaters.
Vom Glück in einem freien Land zu leben
Ich kann mich glücklich schätzen, als Journalist in einem Land zu arbeiten, in dem die Presse- und Meinungsfreiheit seit mehr als 75 Jahren fest im Grundgesetz verankert ist. Und ich habe großen Respekt vor Kolleginnen und Kollegen, die dieses Glück nicht haben, die für eine freie, unabhängige und kritische Berichterstattung ihre berufliche Existenz, nicht selten auch ihre Freiheit und ihr Leben riskieren.
Als regionale Tageszeitung mit vielen Kanälen und großer Reichweite sind wir ein wichtiger Informationsträger im Nordwesten. Unsere Arbeit basiert auf Glaubwürdigkeit. Presse- und Meinungsfreiheit ist dafür eine zwingende Voraussetzung.
Kontroverse Meinungen sind dabei nichts Schlimmes. Im Gegenteil: Demokratie funktioniert nicht im Konsens, sondern im Ringen um die besten Argumente, die am Ende zu einer Mehrheitsentscheidung führen.
Eine Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach und des Medienforschungsinstituts Media Tenor (veröffentlicht im Dezember 2023) zeigt allerdings, dass 44 Prozent der Deutschen das Gefühl haben, ihre politische Meinung nicht mehr frei äußern zu können. Nur noch 40 Prozent gehen davon aus, frei reden zu können. Diese Entwicklung zeigt seit 2015 eine dramatische Dynamik. Gleichzeitig sorgte der Verfassungsschutz voriges Jahr für Aufsehen mit seiner Forderung, „Sprech- und Denkmuster“ oberhalb der Strafbarkeitsgrenze ins Visier zu nehmen, die aus seiner Sicht das Staatswohl gefährden. Im aktuellen Koalitionsvertrag von Union und SPD, der neuen Bundesregierung, wird auf Seite 123 der Umgang mit „Desinformation“ thematisiert. Lüge, Hass und Hetze seien nicht von Meinungsfreiheit gedeckt und sollen sanktioniert werden. Klingt erstmal gut und richtig. Doch wer entscheidet, was Lüge, Hass und Hetze ist? Da bleibt das Koalitionspapier vage.
All das sollte uns alarmieren. Doch es gibt nicht nur staatliche Tendenzen, die Presse- und Meinungsfreiheit einzuschränken.
Alarmieren sollte uns auch, wenn versucht wird, Journalisten mit unliebsamer Meinung durch persönliche Angriffe zu diffamieren und einzuschüchtern oder gar gleich Berufsverbote zu fordern. Alarmieren sollte uns, wenn freie Medien als Lügenpresse diskreditiert werden. Alarmieren sollte uns, wenn – wie zum Beispiel bei den Bauernprotesten geschehen – Druckhäuser blockiert werden, um die Auslieferung von Zeitungen zu verhindern. Alarmieren sollte uns, wenn Journalisten bei Demonstrationen bedrängt, bedroht und an ihrer Arbeit gehindert werden.
Die Grundsätze der Presse- und Meinungsfreiheit orientieren sich nicht an Haltungen. Für die Frage, wo die Grenze der Presse- und Meinungsfreiheit liegt, ist nicht die Regierung oder irgendeine moralische oder ideologische Instanz zuständig, sondern einzig und allein die unabhängige Justiz. Die Grenzen der Meinungsfreiheit sind dabei zu Recht sehr weit gefasst. Das gehört zum Wesen einer liberalen Demokratie.
Der Kampf um die Meinungs- und Deutungshoheit wird schärfer – auch befeuert durch die Funktionsweise der so genannten Sozialen Medien mit ihren Meinungsblasen.
Die gute Nachricht ist: Die Lauten sind nicht die Meisten: Viele Bürgerinnen und Bürger schätzen die offene Debatte und begrüßen es ausdrücklich, wenn sie mit Meinungen konfrontiert werden, die sie nicht teilen. Die
große Mehrheit der Menschen in Deutschland steht zu unseren Werten, zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Diese starke Demokratie wird auch Angriffen von rechts- und linksaußen widerstehen.
Aber wir dürfen unsere Demokratie und ihre Werte nicht für selbstverständlich halten. Wir müssen Meinungen aushalten, die uns nicht passen. Wir müssen dankbar sein für unser Privileg der Freiheit und täglich für sie einstehen – und damit auch für die Meinungs- und Pressefreiheit.
Ulrich Schönborn (56) mag die norddeutsche Gelassenheit und die Friesische Freiheit. Als Kind kam er aus Mainz an die Nordsee-Küste – und blieb. Seit 2020 ist er Chefredakteur der Nordwest Mediengruppe mit den Titeln Nordwest-Zeitung, Emder Zeitung, Anzeiger für Harlingerland und NWZonline.

